Die Rede ist von „Spielen“. Dabei soll das Pferd auf minimalen Druck (nachher sind es nur noch Zeichen) vorwärts, rückwärts, seitwärts weichen, die Vorhand und die Hinterhand verschieben und das alles nach Möglichkeit auf Kommando.
Einem Pferd beizubringen um einen herumzulaufen, ohne einem den Strick aus der Hand zu reißen oder permanent in die Mitte zu kommen ist ohne Zweifel eine gute Sache. Wer würde das in Frage stellen. Auch ist es besonders für den späteren Verlauf des Trainings von Vorteil, wenn sich die einzelnen Körperteile des Pferdes auch unter dem Sattel ohne großen Aufwand bewegen lassen und man es auch in brenzligen Situationen kontrollieren kann. Soweit die Theorie.
Doch hier genau vergaloppiert sich die so anfangs gut gemeinte Idee. Was als Vorbereitung auf das Reiten und als Korrektur von Problempferden gedacht war, entwickelt sich seit Jahren immer mehr zu einem Selbstzweck, bei dem das Pferd zum Spielball seiner übereifrigen Besitzer wird.Der Grund dafür ist die Überzeugung, dass sich mit zunehmender Raffinesse und Übung der Spiele die Beziehung zu unseren Pferden maßgeblich vertieft.
Wer zweifelt schon am Vertrauen seines Pferdes, wenn es auf Fingerzeig rückwärts läuft, auf kleinste Signale Seitengänge vollzieht und ohne Strick hinter einem her läuft? Das ist für die meisten Pferdehalter der Ritterschlag und bringt selbst Männerherzen zum schmelzen. Und daher kann man es kaum jemandem verübeln, wenn diese Vertrauensbeweise so oft es geht einfordert werden. Ist doch so schön …
Für’s Pferd allerdings weniger. Nachdem es zum x-ten Mal bewiesen hat, dass es das ABC beherrscht, wird es früher oder später Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Es ist ein schleichender, oftmals sehr langsamer Prozess. Das Pferd wird ohne ersichtlichen Grund die Ohren in den Nacken legen, den Kiefer festhalten, mit dem Schweif schlagen, bocken oder steigen oder sich völlig zurückziehen.
Man könnte meinen, dass spätestens jetzt den meisten Menschen ein Licht aufgehen müsste. Tut es aber oft nicht, weil sie immer noch nicht kapieren, dass sie selbst der Auslöser für diese Verhaltensauffälligkeiten sind.
Nehmen wir mal ein ganz banales Beispiel: Das Pferd soll auf leichte Vibration des Stricks rückwärts gehen. Die ersten fünf Schritte sind perfekt. Das Pferd weicht auf minimalen Druck und bleibt stehen. Aber das Spiel ist noch nicht zu Ende. Das Pferd wird jetzt mit Nachdruck daran erinnert, dass es nicht einfach stehen bleiben darf. Zwanzig Schritte soll es gehen, aber zügig. Tut es auch aber mit immer mehr Widerstand, der natürlich nicht geduldet wird. Schnell werden aus den zwanzig Schritten dreißig und am Ende steht das Pferd da, mit gesenktem Kopf und liefert den Beweis für die Richtig-und Wichtigkeit dieser Übungen.
“Wir arbeiten nicht mit Gewalt”, heißt es aus den Lagern der Spielsüchtigen und damit geben sie sich die Generalabsolution für subtilen Psychoterror, der immer mehr Anhänger und immer weniger Kritiker findet.
Wenn wir uns nur trauen würden unserem Gefühl zu folgen, wäre uns binnen kürzester Zeit klar, dass hier der Schwanz mit dem Hund wedelt. Wir würden intuitiv wissen, dass der tote Blick, die angelegten Ohren, das Schweif rudern und die allgemeine Unlust unserer Pferde im direkten Zusammenhang mit unserem Training steht.
Es ist nicht meine Absicht auch nur irgend jemandem seinen Spaß am Pferd zu nehmen oder ihn daran zu hindern mit seinem Pferd zu arbeiten. Was ich beklage ist ein Trend, der besonders in der europäischen Horsemanship Szene schon seit langem zu beobachten ist.
Ich rede von einer Bewegung, die das Horsemanship, so wie es eigentlich gemeint war, ad absurdum führt. Kein echter Horseman würde auf die Idee kommen mit seinem Pferd zu spielen. Er fühlt sein Pferd, liest sein Pferd und weiß instinktiv was es braucht. Ganz nebenbei baut er eine stabile Verbindung zu den Füssen des Pferdes auf und arbeitet an der Nachgiebigkeit. Und wenn etwas gut läuft, hört er auf, weil er weiß dass er morgen mit diesem guten Gefühl anfangen wird. Dieser Ansatz braucht kein Programm, keine auswendig gelernten Übungen, sondern nur unseren Instinkt und einen klaren Verstand, der aber auf den Spielplätzen meist verloren geht.
Wenn wir nur halb so viel Respekt vor unseren Pferden hätten wie umgekehrt, würden wir endlich aufhören sie wie Marionetten an Fäden tanzen zu lassen und versuchen ihre Natur intakt zu lassen und zu verstehen.
Daher, mein Appell an alle, die ihre Pferde wirklich lieben:
Lasst eure Pferde Pferde sein. Nehmt ihnen nicht ihre Würde und ihren Stolz. Lasst es gut sein, wenn es gut ist. Nutzt euren gesunden Menschenverstand. Holt euch gute Lehrer und lernt mit den Instinkten eurer Pferde zu arbeiten, anstatt sie zu unterdrücken. Ihr werdet damit nicht nur einen komplett neuen Zugang zu euren Pferden, sondern auch zu euch selbst bekommen.